Interview mit Hartmut Schneider

“Wir haben angefangen in einem Vakuum”

Zum 20-jährigen Jubiläum wurde der erste Schulleiter des Gottfried-Arnold-Gymnasiums zu seinen Erfahrungen als Schulleiter befragt.

Redaktion: “Wie funktionierte der Aufbau des Perleberger Gymnasiums, da es neun Jahre keine weiterführende Schule in Perleberg gab?”

Hartmut Schneider: “Das war tatsächlich mit großen Schwierigkeiten verbunden. Es war erst einmal allen nach der Wende 1990 klar, dass Perleberg wieder eine Schule haben sollte, die zum Abitur führt, war doch Perleberg in dieser Hinsicht der traditionsreichste Schulstandort in der Prignitz. Diskutiert wurde z.B., ob es ein Gymnasium, eine Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe (GOST) oder gar eine Waldorfschule werden sollte. Die damalige Bürgermeisterin Frau Dr. Fischer, die dem Vorhaben sehr aufgeschlossen gegenüberstand, sagte dann: “Ich will ein stinknormales Gymnasium für Perleberg, Herr Schneider.”
Und nun fingen die Schwierigkeiten erst richtig an. Nachdem in die ehemalige EOS an der Buhne 1982 die Förderschule eingezogen war, gab es kein Schulgebäude für die zu gründende Schule. Ich selbst hatte vom Schulamt den Auftrag erhalten, alles für ein Schulanfang zum 01.09.1991 vorzubereiten und versuchte nun alles Mögliche in dieser Hinsicht zu unternehmen. Da kam mir wieder Frau Dr. Fischer zu Hilfe, die aufgrund ihrer Beziehungen zur Bundeswehr erreichte, dass wir tatsächlich das Lehrgebäude der ehemaligen Grenztruppen der DDR als Schulgebäude erhielten.
Nun stand der Schulgründung nichts mehr im Wege. Als Schulträger wurde der Kreis festgelegt und das war eine kluge Entscheidung. Vor allem der damalige Leiter der Schulverwaltung, Herr Winterfeld, hat alles notwendige unternommen, dass tatsächlich nach gut drei Monaten ein einigermaßen vernünftiger Unterricht beginnen konnte. Ein Provisorium war es dennoch allemal, aber alle, die am 01.09.1991 die Arbeit in der Quitzower Straße aufnahmen, waren dankbar, dass das ermöglicht wurde.”

Redaktion: “Wie funktionierte die Aufnahme der ersten Klassen am Gymnasium in dieser kurzen Zeit der Entstehung?”

Hartmut Schneider: “Die Schüler, die in Wittenberge die damals neu eingerichteten 9. Klassen besuchten(in der DDR gab es von 1982 bis 1990 an der EOS nur die Jahrgangsstufen 11 und 12) und in Perleberg oder Umgebung wohnten, kamen als 10. Klassen an unsere Schule und aus den 10. Klassen der damaligen POS kamen die Schüler der 11. Klassen. So hatten wir vier 11. Klassen, die ihr Abitur nach 12 Schuljahren ablegten und drei 10. Klassen, die nach 13 Schuljahren ihr Abitur ablegten. Und so nannten wir uns damals Aufbauschule EOS/Gymnasium Perleberg, wie keine andere Schule in Brandenburg zu dieser Zeit.
Am Anfang waren wir also 17 Lehrer und circa 150 Schüler – fast ein Familienbetrieb. Der große Umbruch fand 1992 statt. Da wurden die übrigen Jahrgänge aufgenommen, wir hatten dann die Jahrgangsstufen 7 und 12 und die entsprechende Schülerzahl, die in den nächsten Jahren kontinuierlich anwuchs.”

Redaktion: “Sie sagten, dass Sie am Anfang 17 Lehrer waren. Wo kamen die Lehrer denn so plötzlich her?”

Hartmut Schneider: “Es waren ja noch einige Lehrer da, die bereits an der EOS in Perleberg tätig waren: Frau Marianne Kliefoth, Frau Gjurnewa, Frau Schneider, Herr Vogel, Herr Freimann und ich. Herr Pickert hatte sich in dieser Zeit politisch sehr stark für die Gründung des Gymnasiums eingesetzt und so war es folgerichtig, dass er an diese Schule kam. Frau J. Kliefoth war wie Herr Vogel, Herr Freimann und ich an der EOS in Wittenberge tätig und beantragte den Wechsel nach Perleberg und es gab ja in Perleberg an den vier POS eine Reihe bewährter Lehrer, die dann den Weg an unsere Schule einschlugen.

Redaktion: “Kurz zurück zu der Schulgründung. Als sie die Schule gründeten, hatten Sie da eine bestimmte Vorstellung von einem Profil, das Sie der Schule geben wollten?”

Hartmut Schneider: “Meiner Neigung entsprechend hatte ich zunächst an ein sprachlich-geisteswissenschaftliches Profil gedacht, in diese Richtung ging es ja dann auch bei der Namensgebung für unsere Schule. Gottfried Arnold ist in dieser Hinsicht auch ein hervorragender Namenspatron. Aber ich habe sehr schnell festgestellt, dass eine zu einseitige Orientierung nicht sinnvoll ist. Unsere Zeit ist naturwissenschaftlich geprägt und so sind die Naturwissenschaften genauso wichtig, wie übrigens auch der Künstlerisch-musische Bereich und der Sport. Darum war es mir sehr wichtig, dass unser Gymnasium 2005 MINT-Schule wurde.”

Redaktion: “Was hat sich in der Zeit verändert, als Sie an der Schule tätig waren?”

Hartmut Schneider: “Außerordentlich viel. Wir haben angefangen in einem Vakuum. Es hat sich dann aber immer mehr reguliert und in meinen letzten Jahren hat man mehr verwaltet als gestaltet. Aus einem Neuanfang in einem Provisorium wurde in relativ kurzer Zeit durch die engagierte Arbeit vieler Lehrer, Eltern und Schüler eine gut ausgestatete anerkannte Bildungseinrichtung, die sich weit über unsere Region hinaus durch die Leistung ihrer Absolventen einen Namen machte. Obwohl es mir nicht leicht fällt, verzichte ich auf einzelne nennungen, weil ich immer irgendetwas vergessen könnte.”

Redaktion: “Was würden Sie sich für das 25-jährige Jubiläum, also für die nächste Zeit, für das Gymnasium wünschen?”

Hartmut Schneider: “Ich wünsche der Schule für die Zukunft alles Gute, dass der bis heute eingeschlagene Weg kontinuierlich weiter beschritten wird. ich wünsche der Schule auch weiter begeisterungsfähige und kompetente Lehrer, die ihre Schüler mitreißen können. Von der Politik wünsche ich, dass nicht nur gesagt wird, dass die Bildung der Jugend das wichtigste Gut ist, sondern auch danach gehandelt wird. Das bedeutet auch kleinere Klassen, damit die Schulen in unserer Randregion eine Zukunft haben.

Das Interview führten Annika Maslewski und Nele Tast

Hartmut

 Auszug aus 20 Jahre Gottfried-Arnold-Gymnasium / 150 Jahre Grundsteinlegung, 2011, Seite 19-21

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