Traditionell folgten am 9. November einige Schülerinnen und Schüler unseres Gymnasiums und viele interessierte Bürgerinnen und Bürger der Einladung der Perleberger Bürgermeisterin, die Perleberger Stolpersteine zu putzen und den Opfern zu gedenken. Seit zehn Jahren erinnern die vier goldenen Gedenktafeln an die grausamen Taten in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938.

„Hine ma tov uma-nayim – Schön ist’s wenn Schwestern und Brüder friedlich beisammen wohnen.“ Mit diesen Worten eines traditionellen jüdischen Kanons, eröffnete der Perlebeger Pfarrer, Valentin Kwaschik, die diesjährige Gedenkveranstaltung anlässlich der Reichsprogromnacht im Jahr 1938.
Zu der Veranstaltung hatte die Perleberger Bürgermeisterin Annett Jura eingeladen. „Wir dürfen es nicht dulden, dass sich Menschen frei hinstellen dürfen und sich antisemitisch äußern, ohne dass wir widersprechen. Wir müssen bei jeder Gelegenheit den Mut aufbringen, dagegen zu halten“, betont die Bürgermeisterin. Eine dieser Gelegenheiten ist auch die Veranstaltung rund um die Perleberger Stolpersteine.
Heute erinnern die vier goldene Gedenktafeln in der Innenstadt nämlich an die Untaten, die gegenüber den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern verübt wurden. Sie erinnern an Malwine Sternberg, Margarete Franke, Adolf Lewandowski und Markus Lang. Sie alle stammten aus Perleberg, gehörten dem jüdischen Glauben an und fielen der Willkür- und Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus zum Opfer.
Am 9. November 1938 rief der Ortsleiter der NSDAP um 14:00 Uhr dazu auf, Perleberg zu einer „judenfreien Stadt“ zu machen. Die Folgen waren Misshandlungen, Beleidigungen und Überfälle. Nur Malwine Sternberg konnte nach England flüchten. Margarete Franke, Adolf Lewandowski und Markus Lang wurden deportiert und starben.
Um Ihnen zu gedenken, werden seit mehr als zehn Jahren am 9. November ihre Stolpersteine geputzt und die Geschichten der Opfer erzählt. Auch in diesem Jahr gestalteten deshalb viele Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen sieben bis neun, zusammen mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Vertreterinnen und Vertretern aus der Politik, eine einstündige Gedenkveranstaltung. An jeder der vier Stationen wurden die Texte eindrucksvoll vorgetragen und anschließend die Stolpersteine geputzt.

Mit dieser Aktion wollen die Beteiligten einen Beitrag zur Erinnerungskultur in Perleberg leisten und ein Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus setzen. Leo Bobsien, der in der Aktionsgruppe „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ unseres Gymnasiums engagiert ist, betont, dass es ihm wichtig sei an solchen Veranstaltungen teilzunehmen, da viele junge Menschen gar nicht mehr wissen würden, was am 9. November 1938 geschah. „Sie haben es vergessen und Vergessen ist eine Form, altes Unrecht wieder aufleben zu lassen. Das gilt es zu vermeiden“, betont der Schüler.
Die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demning gibt es mittlerweile seit fast 30 Jahren. Mehr als 75.000 Steine erinnern in 24 Ländern an die circa sechs Millionen Opfer des Nationalsozialismus. Durch dieses immens große, dezentrale Mahnmal sind die Schicksale der deportieren, vermissten und ermordeten Jüdinnen und Juden in tausenden Innenstädten präsent.
„Ich würde mich freuen, wenn in den nächsten Jahren noch mehr junge Menschen Gedenkveranstaltungen, wie diese hier, mitgestalten würden“, erwähnt Leo Bobsien. Um diesem Ziel näher zu kommen, werden die Mitglieder der „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“-Gruppe auch in der kommenden Zeit weitere Aktionen planen und sich für weniger Diskriminierung einsetzen.
Text: Edgar Stütz
Fotos: Philipp Falkenhagen